2023-07-25_RP_Wenn das Klima kippt
- Version
- Download 11
- Dateigröße 61.52 KB
- Datei-Anzahl 1
- Erstellungsdatum 25/07/2023
- Zuletzt aktualisiert 25/07/2023
2023-07-25_RP_Wenn das Klima kippt
2023-07-25_RP_Wenn das Klima kippt
ANALYSE Die jüngsten Hitzewellen sind eine Warnung: Die Erderwärmung beschleunigt sich, wir nähern uns Punkten, ab denen Veränderungen unumkehrbar sind. Doch noch besteht Anlass zur Hoffnung, wenn wir schnell handeln.
...
Noch sind die Gründe unklar. Es könnte eine beschleunigte Anhäufung der Treibhausgase sein – etwa von zusätzlichem Methan aus fossilen Brennstoffen und der Landwirtschaft verbunden mit einer höheren Hitzeaufnahme der eigentlich als Wärmepuffer funktionierenden Ozeane. Auch die möglichen Kipppunkte werden wieder debattiert. Wenn die 3000 Meter dicke Eisschicht auf Grönland oder in der Antarktis schneller schmilzt als erwartet, können unumkehrbare Folgen für das Weltklima entstehen. Das Gleiche gilt für das Auftauen der Permafrostböden in Kanada und Sibirien. Hier kann es zur schnelleren Freisetzung von Methan kommen.
Fest steht, dass schon jetzt die Welt im Schnitt 1,2 Grad wärmer ist als vor Beginn der Industrialisierung mit ihrem massiven Energieeinsatz. Die Zeit, nicht in die Nähe der Kipppunkte zu kommen, wird langsam knapp. Der renommierte Klimaforscher Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung drückt es so aus: „Bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von anderthalb bis zwei Grad steigt die Wahrscheinlichkeit bereits erheblich, dass Kipppunkte aktiviert werden können. Das gilt etwa für den Verlust des Grönlandeises, auch wenn das Abschmelzen Jahrhunderte oder gar Jahrtausende andauern würde. Bei anderen Kippelementen wie der Atlantikzirkulation scheinen mehr als vier Grad Erderwärmung nötig.“
,,,
Dazu ist eine neue Klimapolitik nötig, die Edenhofer in groben Zügen umreißt. „Um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, müssen dafür etwa drei bis vier Prozent des Weltsozialprodukts aufgewendet werden. Die Weltgemeinschaft muss zusätzlich zur Vermeidung eine planetarische Müllabfuhr aufbauen, da wir die Atmosphäre nicht mehr als kostenloses Reservoir nutzen können.“ Nur so können gefährliche Kipppunkte, aber auch die Gesamtschäden der Klimaerwärmung überwunden werden. „Ziel der Klimapolitik in der Europäischen Union muss es sein, Wirtschaftswachstum schneller von Emissionen abzukoppeln“, fordert der Wissenschaftler.
Europa sei da schon auf einem guten Weg, wenn die Emissionen bis zum Jahr 2035 tatsächlich um 55 Prozent zurückgingen. Sorgen bereiten dem Forscher Indien und China, neben den Vereinigten Staaten die beiden größten Emittenten von Kohlendioxid. Doch auch da gibt es Hoffnung. So führt Indien gerade einen nationalen Emissionshandel ein, China will bis 2060 klimaneutral sein. Doch der Weg ist weit. Klimapolitik, so Edenhofer, sei kein Sprint. „Sie ist ein Marathon.“

